P. Messerli u.a.: Die Welt in Bern – Bern in der Welt

Titel
Die Welt in Bern – Bern in der Welt. 125 Jahre Geographie an der Universität Bern (1886 –2011)


Autor(en)
Messerli, Paul; Lucienne, Rey
Reihe
Jahrbuch der Geographischen Gesellschaft Bern 63
Erschienen
Bern 2011: Geographische Gesellschaft Bern
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Raphael Singeisen, Rohrbach

Als Autoren zeichnen mit Paul Messerli und Lucienne Rey zwei Personen verantwortlich, welche auf langjährige Tätigkeiten am Geographischen Institut zurückblicken. Die Darstellung der Entstehungsgeschichte des Instituts, der Gründung um 1886 sowie der Anfangs- und Aufbaujahre stützt sich vor allem auf die 1991 erschienene, sehr detaillierte und teilweise quellenbasierte Schrift von Georges Grosjean zum Hundertjahrjubiläum des Instituts. Nach einem schwungvollen Beginn mit der Berufung deutscher und deutschbaltischer Persönlichkeiten ans Institut, erwähnt sei hier der Eiszeitforscher Eduard Brückner, folgte ein schwieriges Kapitel der Institutsgeschichte, geprägt durch ein angespanntes politisches und gesellschaftliches Umfeld in der Zwischenkriegszeit. Die Schweizer Lehrstuhlinhaber fanden in dieser Phase ungünstige Anstellungs- und Arbeitsverhältnisse vor. Die noch sehr starke Verankerung in der Lehrerausbildung band grosse personelle Ressourcen und erlaubte keine Forschungstätigkeiten nach heutigen Massstäben.

Im Zentrum der Publikation steht der Zeitraum nach 1945. Eine «zweite Gründergeneration » mit Persönlichkeiten wie Fritz Gygax, Bruno Messerli, Georges Grosjean und Klaus Aerni leitete ab den 1950er-Jahren eine neue Aufbau- und Wachstumsphase des Instituts ein.

Unter günstigeren (hochschul-)politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen konnten einerseits ein Ausbau des Lehrangebotes realisiert und andererseits neue Forschungsfelder in der Physischen Geographie und in der Kulturgeographie aufgebaut werden, womit auch längerfristig das Geographische Institut den Anschluss an die internationale Wissenschaft sicherstellen konnte. Neben der traditionell starken Verankerung in der Physischen Geographie wurden unter Georges Grosjean ab den 1960er-Jahren auch die Kultur- und die Wirtschaftsgeographie etabliert und somit die historische Dimension der Geographie stärker integriert. Mit der aufkommenden Raum- und Regionalplanung boten sich neue Forschungsgebiete und eine Erweiterung der Berufsfelder der Absolventen an. Gegenüber der klassischen Unterrichtstätigkeit sind Arbeitsstellen im privaten und halbstaatlichen Sektor wichtiger geworden. Gerade im Bereich der Naturgefahren, Meteorologie, Klimatologie und im Planungsbereich entstanden seit den 1970er-Jahren auch Start-up-Unternehmen aus dem Geographischen Institut heraus.

Ein wichtiger Pfeiler bildete stets die Ausbildung der Sekundar- und Gymnasiallehrer. Mit der Neugründung der Pädagogischen Hochschule 2005 wurde dieser Bereich zwar institutionell verlagert, durch Berufung von Berner Schulgeographen konnte aber eine personelle Kontinuität sichergestellt werden. Eine grosse Bedeutung für den weiteren Werdegang des Instituts sehen die Autoren im UNESCO-Programm «Mensch und Biosphäre» in den 1970er-Jahren. Als theoretische Grundlage diente dabei ein Modell, welches das natürliche und das sozioökonomische System in einer Untersuchungsregion analysiert und die wechselseitigen Beziehungen untersucht. Im Zeitraum zwischen 1979 und 1986 dienten zwei Untersuchungsregionen in den Schweizer Alpen (Grindelwald und das Aletschgebiet) für die Zusammenarbeit von Forschungsgruppen des Instituts. Dieses Projekt und vor allem das zugrunde liegende Modell prägten die weitere Arbeit und das Fachverständnis am Institut und führten auch zu Forschungsschwerpunkten in zahlreichen Gebirgsräumen der Welt.

Nach dem altersbedingten Ausscheiden der «zweiten Gründergeneration» in den 1980er- und 1990er-Jahren wurden mit Neubesetzungen neue Schwerpunkte gesetzt, wie beispielsweise in der sozialen und politischen Geographie. Der letzte grosse Schub um 2009 mit fünf weiteren Rücktritten führte zu einer weiteren Anpassung in Forschung und Lehre. Die bildungspolitischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre gingen am Geographischen Institut nicht spurlos vorüber. Rückblickend äussern sich die Autoren selbstkritisch zur Umsetzung der Bologna-Reform in der Geographie und sehen auch negative Erscheinungen, wie die hohe Zahl an Prüfungen.

Der Text des Buches wird ergänzt durch ein «Bilderband», welches sich durch die ganze Schrift zieht. Zahlreiche Illustrationen wie Eindrücke von früheren Exkursionen und Lehrveranstaltungen, aber auch Kartenausschnitte und Landschaftsaufnahmen sind gut ausgewählt und kommentiert, andere Abbildungen haben nur wenig Aussagekraft. Erwähnenswert und originell sind die handgezeichneten Schemata und Übersichten – wie beispielsweise die Darstellung der Entwicklung des Fächerangebotes und der Zahl der Studierenden und Dozierenden. Sehr ausführlich dargelegt werden anhand von «zehn Erfolgsgeschichten» die wichtigsten Forschungstätigkeiten und -ergebnisse der einzelnen Forschungsgruppen, wobei dieser Teil für Nichtgeographen inhaltlich etwas anspruchsvoll ist. Die geschichtliche Perspektive der Publikation wird ergänzt durch persönliche Stellungnahmen der Dozierenden in Bezug auf ihre aktuelle und künftige Forschung.

Insgesamt ist eine thematisch sehr breite und reich illustrierte Publikation entstanden, welche nicht nur die eigentliche Institutsgeschichte umfasst, sondern auch in vielseitiger Weise die Bedeutung der Geographie im Dienst der Wissenschaft und Gesellschaft aufzeigt.

Zitierweise:
Raphael Singeisen: Rezension zu: Messerli, Paul; Rey, Lucienne: Die Welt in Bern – Bern in der Welt. 125 Jahre Geographie an der Universität Bern (1886 –2011). Jahrbuch der Geographischen Gesellschaft Bern, Bd. 63. Bern 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 2, 2016, S. 58-60.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 2, 2016, S. 58-60.

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